Spart eine Kondensatanstauregelung wirklich Energie?
Eine detaillierte Betrachtung.
Dampfbeheizte Wärmeübertragerstationen für Wasser kommen in vielen Industriezweigen zum Einsatz. Hoher Wärmeinhalt, hoher Wärmeübergang und eine gute Regelbarkeit sprechen für das Heizmedium Dampf. Durch die Abgabe von Wärme an ein aufzuheizendes Medium kondensiert der Dampf wieder zu Kondensat genanntem Wasser. Dieses wird zum Kesselhaus zurückgeführt und kommt erneut im Dampfkessel zum Einsatz, denn Kondensat ist bereits chemisch neutral und verfügt über eine Restenergie.
Bei der Regelung von Wärmeübertragern unterscheidet man zwischen einer dampfseitigen Regelung und einer Kondensatanstauregelung mit unterschiedlichen Eigenschaften. Eine der Kondensatanstauregelung zugesprochenen Eigenschaften ist eine Dampfersparnis von ca. 20% im Vergleich zur dampfseitigen Regelung. Das klingt verlockend, daher möchte dieser Beitrag diese mögliche Einsparung objektiv und rechnerisch untersuchen.
Die Wärmeübertragung
Gleichungen der Wärmeübertragung
Damit eine Wärmeübertragung stabil erfolgen kann, müssen 3 Gleichungen erfüllt sein:
Wärmebedarf des Produktes: QP = mP * cP * (T2-T1)
QP: benötigte Wärmemenge des Produkts zum Aufheizen des Massenstroms [kJ/h]
mP: Massenstrom Produkt [kg/h]
cP: spezifische Wärmekapazität des zu beheizenden Mediums [kJ / kg K]
T1: Eintrittstemperatur des Produkts [°C], T2: Austrittstemperatur des Produkts [°C]
Übertragene Wärmemenge: QWÜT = k * A * LMTD
QWÜT: übertragene Wärmemenge zum Aufheizen des Produkts [kJ/h]
k: Wärmedurchgangskoeffizient [W / m2 K]
A: Wärmeübertragerfläche [m2]
LMTD: mittlere logarithmische Temperaturdifferenz [K]
Wärmeinhalt des Heizdampfes: QS = mS * hS
QS: gelieferte Wärmemenge des Dampfes zum Aufheizen des Produkts [kJ/h]
mS: Massenstrom Dampf [kg/h]
hS: Enthalpie des Dampfes [kJ/kg]
Merkmale der Regelungsarten
Dampfseitige Regelung
- Schnelles Ansprechen der Regelung
-> Durch Änderung Öffnung Regelventil - QWÜT = k * A * LMTD
- Freie Ablauf Kondensat – keine Korrosion
- Evtl. Kondensatrückstau bei Gegendruck Pump-Kondensatableiter empfohlen
- Entstehung von Nachdampf in Kondensatleitung
Kondensatanstauregelung
- Träges Ansprechen der Regelung, da weiteres Anstauen oder Ablassen von Kondensat erforderlich ist => kann bei Lastwechseln zu Temperaturschwankungen führen
- QWÜT = k * A * LMTD
- Evtl. Korrosion durch angestautes Kondensat
- Kein Kondensatrückstau durch konstanten Dampfdruck
- Unterkühlung des Kondensats, daher meist kein Nachdampf
- Durchschlagen von Dampf möglich
- Kleinere Armaturen, aber verstärkter Wärmeübertrager nötig, evtl. preisgünstiger
Berechnung der benötigten Wärmemengen im Dampfsystem
Für einen objektiven Vergleich ist es erforderlich, die benötigten Wärmemengen rechnerisch zu ermitteln. Dies kann anschaulich anhand des Beispiels einer typischen Heizungsanwendung erfolgen:
Betrachtung des Systems Wärmeübertrager
Anwendung: Erwärmung von Wasser für eine Gebäudeheizung
Erwärmung von 10 m3/h Wasser, von 50°C auf 70°C
Zur Verfügung stehender Dampfdruck: 3 bar ü
Wärmebedarf des Produktes
QP = mP * cP * (T2-T1) = 10.000 kg/h * 4,18 kJ / kg K * (70°C – 50°C) = 836.000 kJ/h = 232,2 kW
Benötigte Dampfmenge
3 bar ü (143,73°C): Verdampfungswärme r = 2.132,97 kJ/ kg
mS = QS / hS = 836.000 kJ/h / 2.133 kJ/ kg = 391,9 kg/h Dampf bei 3 bar ü
Gegenüberstellung der benötigten Dampfmenge im System Wärmeübertrager
Dampfseitige Regelung
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Kondensatanstauregelung
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– benötigte Dampfmenge 391,9 kg/h Dampf bei 3 bar ü | – benötigte Dampfmenge 836.000 kJ/h / 2.484,06 kJ/ kg = 336,5 kg/h
Reduktion Dampfmenge im WÜT: 14,1 % |
Gegenüberstellung im System Kondensatleitung
Wir unterstellen ein offenes Kondensatrückführsystem mit atmosphärischem Druck. Ein geschlossenes Kondensatrückführsystem ist sicherlich energetisch am effizientesten, aber auch in der Ausführung aufwändiger und unterliegt noch anderen Überlegungen.
Dampfseitige Regelung
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Kondensatanstauregelung
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Wärmeabstrahlung der Kondensatleitung
Annahmen: Kondensatleitung DN80, 50 mm Isolierung Steinwolle, ca. 100 m Länge, Außentemperatur im Mittel ca. 15°C, 2 m/s Windtemperatur.
Dampfseitige Regelung
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Kondensatanstauregelung
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Kondensation von Nachdampf mit 0 bar ü
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Abkühlung von 60°C Kondensat
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Nach Kondensation bzw. Abkühlung |
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vorhanden bei 100°C:
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vorhanden bei 56,1°C:
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Gegenüberstellung im System Entgaser
Kondensat und Speisewasser muss im Entgaser auf min. 105°C erhitzt werden, um alle nicht-kondensierbaren Gase auszutreiben.
Dampfseitige Regelung
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Kondensatanstauregelung
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Benötigte Wärmemenge:
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Benötigte Wärmemenge:
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Dampfbedarf bei 0,2 bar ü
7.732,59 kJ/h / 2.242,91 kJ/kg = 3,4 kg/h |
Dampfbedarf bei 0,2 bar ü
69.083,45 kJ/h / 2.242,91 kJ/kg = 30,8 kg/h |
Gesamtbilanz
Dampfseitige Regelung
Dampfbedarf: 391,9 kg/h WÜT + 3,4 kg/h Entgaser = = 395,3 kg/h Dampf – Nachdampf 27,5 kg/h = 367,8 kg/h |
Kondensatanstauregelung
Dampfbedarf: 336,5 kg/h WÜT + 30,8 kg/h Entgaser = 367,3 kg/h Dampf |
Differenz: 0,5 kg/h Dampf (mit Rundungsfehlern gesamte Berechnung) |
Weitere technische Effekte einer Kondensatanstauregelung
– Bei unterkühltem Kondensat mit niedrigen Temperaturen kann es zu teils starken Wasserschlägen an Punkten kommen, an denen Hochdruckkondensat eingeleitet wird und der entsprechende heiße Nachdampf schlagartig kondensiert.
– Bei niedrigen Kondensattemperaturen kann es in offenen Kondensatrückführsystemen zu Bildung von hochkorrosiver Kohlensäure kommen.
– Bei einer Kondensatanstauregelung kann es zu Dampfdurchschlag kommen, wenn kein Kondensatableiter hinter dem Stellventil installiert ist.
Fazit
Diese detaillierte Betrachtung widerlegt rechnerisch, mit einer Kondensatanstauregelung im Vergleich zur dampfseitigen Regelung Energie einsparen zu können. Berücksichtigt man nur losgelöst den Wärmeübertrager, ergibt sich zwar eine gewisse Einsparung, dargelegt anhand eines Anwendungsbeispiels mit einer großzügig ausgelegten Unterkühlung des Kondensats. Bilanziert man hingegen das gesamte Dampf- und Kondensatsystem, muss die vermeintlich eingesparte Dampfmenge dem unterkühlten Kondensat am Entgaser wieder zugeführt werden!
Ein anderes Ergebnis hätte in einem Kreislauf überrascht und den Energieerhaltungssatz außer Kraft gesetzt. Ein möglicher Verlust einer dampfseitigen Regelung kann in Form von Nachdampf erfolgen, dessen Rückgewinnung aber heute Standard ist.
Die Kondensatanstauregelung hat durchaus ihre Berechtigung bei sehr gleichmäßigen Prozessen, wie etwa in der Fernwärme.
Eine dampfseitige Regelung ist aufgrund ihrer schnellen Regelung vielseitig auch in Prozessen einsetzbar, und Effekte wie Wasserschläge oder erhöhte Korrosion können minimiert werden.